ESOP-Besteuerung nach dem Zukunftsfinanzierungsgesetz

Corporate 19.04.2023

Nun liegt er vor, der Referentenentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes (kurz „ZuFinG“). Es handelt sich dabei um die wahrscheinlich wichtigste Gesetzesinitiative für das Startup-Ökosystem in Deutschland in dieser Legislaturperiode – wahrscheinlich sogar darüber hinaus.

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Managing Director, Rechtsanwalt für M&A/Steuern und Steuerberater

Der Referentenentwurf des ZuFinG (nachfolgend „Ref-E“), den das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Justiz gemeinsam vorgelegt haben, enthält eine Vielzahl von Neuregelungen: u.a. im Bereich des Finanzmarktrechts, des Gesellschaftsrechts und des Steuerrechts.

Die Rahmenbedingungen für den Finanzstandort Deutschland insgesamt, insbesondere Startup- und Wachstumsunternehmen, sollen durch das ZuFinG substantiell verbessert werden.

Die für das Startup-Ökosystem wichtigste Änderung ist sicherlich die Überarbeitung des § 19a EStG und damit die Besteuerung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: wenn die Überarbeitung des § 19a EStG wie im Ref-E vorgesehen umgesetzt wird, wäre das ein Quantensprung – sowohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Startup-Unternehmen als auch für den Tech-Standort Deutschland insgesamt. Deutschland wäre damit im Bereich der Mitarbeiterkapitalbeteiligung erstmals konkurrenzfähig.

Die Schwachstellen des § 19a EStG in der aktuell geltenden Fassung

Durch das Fondsstandortgesetz vom 3. Juni 2021 wurde § 19a EStG eingeführt und damit die Besteuerung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland grundlegend neugestaltet. § 19a EStG weist jedoch in der aktuell geltenden Fassung eine Reihe von Schwächen auf, die dazu geführt haben, dass § 19a EStG in der Praxis bedeutungslos geblieben ist.

Die Hauptkritikpunkte der Praxis beziehen sich zum einen auf den Anwendungsbereich des § 19a EStG (Stichworte: enge KMU-Kriterien, die insbesondere Wachstumsunternehmen vom Anwendungsbereich des § 19a EStG ausschließen, Ausgabe von Anteilen an verbundenen Unternehmen). Zum anderen konzentrierte sich die Kritik auf das sog. „Dry Income"-Problem.

Das Gesetz sieht aktuell vor, dass der geldwerte Vorteil aus der vergünstigten Überlassung einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung zwar auf Antrag zunächst nicht erhoben wird. Spätestens nach 12 Jahren (sog. Longstop-Besteuerung) oder bei einem Arbeitgeberwechsel wird sie jedoch nachgeholt.

D. h. nach aktueller Gesetzeslage kann es zu der Situation kommen, dass eine Mitarbeiterin einen geldwerten Vorteil lohnversteuern muss, ohne dass im Besteuerungszeitpunkt ein tatsächlicher Geldfluss stattfindet (“Dry Income”).

Dieses Phänomen hat sich in der Startup-Praxis als geradezu prohibitiv im Hinblick auf die Gestaltung von 19a-EIP erwiesen.

Das ZuFinG soll nun auf unterschiedlichen Ebenen Abhilfe schaffen – und tut dies auch. Die im Ref-E vorgeschlagenen Änderungen in § 19a EStG würden die von der Praxis vorgebrachten Einwände adressieren und damit die Besteuerung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen in Deutschland erstmals international konkurrenzfähig machen.

Der Ref-E setzt hierbei an drei Stellen an: Anhebung des steuerlichen Freibetrags für den Erwerb von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen, Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 19a EStG und Lösung des “Dry Income”-Problems im Rahmen des § 19a EStG.

Schließlich sieht der Ref-E bei § 19a EStG die Möglichkeit der einheitlichen Pauschalbesteuerung mit 25% vor – allerdings ist fraglich, ob diese Pauschalbesteuerung den Weg in den Gesetzesentwurf finden wird.

Anhebung des steuerlichen Freibetrags

Der steuerliche Freibetrag für den (vergünstigten) Erwerb von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen soll von derzeit €1.440 auf €5.000 p.a. angehoben werden.

Damit wird die Möglichkeit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung auch abseits des Startup-Ökosystems deutlich ausgeweitet. Besonders relevant wird der Freibetrag freilich vor allem im Hinblick auf Beteiligungsprogramme „reifer“ Unternehmen, also etwa Belegschaftsaktienprogramme u.Ä.

Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 19a EStG

Der Ref-E sieht vor, den Anwendungsbereich des § 19a EStG in mehrfacher Hinsicht auszuweiten. Bisher gilt die Sonderregelung für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen nur, wenn die sogenannten KMU-Schwellenwerte (250 Mitarbeiter, € 50 Mio. Umsatz, € 43 Mio. Bilanzsumme) im Zeitpunkt der Anteilszuteilung eingehalten werden bzw. im Vorjahr nicht überschritten wurden.

Zudem fallen nach aktueller Gesetzeslage Unternehmen aus dem Anwendungsbereich des § 19a EStG heraus, wenn seit ihrer Gründung mehr als 12 Jahre vergangen sind.

Nach dem Ref-E wird der Anwendungsbereich zum einen dadurch ausgeweitet, dass die KMU-Schwellenwerte verdoppelt werden (500 Mitarbeiter statt bisher 250, € 100 Mio. Umsatzschwelle statt bisher € 50 Mio., € 86 Mio. Jahresbilanzsumme statt bisher € 43 Mio.).

Die verdoppelten Schwellenwerte können zudem nach dem Ref-E sechs Jahre lang (bisher: ein Jahr) überschritten werden, ohne dass dies dazu führt, dass ein Unternehmen aus dem Anwendungsbereich des §§ 19a EStG herausfällt.

Beides zusammengenommen (Verdoppelung der KMU-Schwellenwerte und Schonfrist von 6 Jahren) bedeutet bereits eine ebenso signifikante wie sinnvolle Ausweitung.

Gerade Wachstumsunternehmen im Late Stage-Bereich sind im internationalen Talentwettbewerb darauf angewiesen, attraktive Equity-Pakete anbieten zu können, wie sie in anderen Tech-Standorten üblich sind und von Mitarbeiterseite eingefordert werden.

Insofern ist es aus Sicht des Tech-Standorts Deutschland richtig und wichtig, dass enge Korsett der KMU-Schwellenwerte auszuweiten.

Es ist auch begrüßenswert, dass der Ref-E vorsieht, dass Unternehmen erst 20 Jahre nach der Gründung (statt bisher 12) nicht mehr von § 19a EStG erfasst sind.

Startup-Unternehmen muss man eine Entwicklungszeit von weit mehr als 12 Jahren zubilligen. Es ist unrealistisch, dass Tech- Unternehmen nach 12 Jahren „ausgereift“ und nicht mehr auf die Gewinnung und Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch attraktive Kapitalbeteiligung angewiesen sind.

Nach dem Ref-E wird der Anwendungsbereich des § 19a EStG schließlich dadurch erweitert, dass Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auch an verbundene Unternehmen des Arbeitgeberunternehmens ausgegeben werden können.

In der bisherigen Gesetzesfassung sind diese Fälle, jedenfalls nach Ansicht der Finanzverwaltung, nicht erfasst.

Beispielsweise kann eine Mitarbeiterin, die in einem Tochterunternehmen eines Startups beschäftigt ist, keine nach § 19a EStG steuerprivilegierte Mitarbeiterkapitalbeteiligung am Startup-Unternehmen – also einem verbundenen Unternehmen – erhalten.

Weshalb sie von § 19a EStG ausgeschlossen sein soll, nur weil sie bei einem Tochterunternehmen des Startups beschäftigt ist, erschließt sich nicht.

Es wird nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass auch Unternehmensverbünde (die selbstverständlich in Zusammenschau die verdoppelten KMU-Schwellenwerte einhalten müssen) von § 19a EStG erfasst sind.

Lösung des „Dry Income“ Problems im Rahmen des § 19a EStG

Die sogenannte Longstop-Besteuerung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG, die nach geltender Gesetzeslage nach 12 Jahren eintritt, wird durch den Ref-E auf 20 Jahre ausgeweitet.

D. h., dass eine Mitarbeiterin eine vergünstigt eingeräumte Mitarbeiterkapitalbeteiligung nach spätestens 20 Jahren „nachversteuern“ muss.

Auch für den Fall des Arbeitgeberwechsels bleibt es dabei, dass dieser grundsätzlich zu einer „Nachversteuerung“ führt (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).

Die beiden Nachversteuerungstatbestände (Longstop und Arbeitgeberwechsel) sind nach dem Ref-E jedoch künftig unschädlich – und sodann kommt es nur noch auf die tatsächliche Veräußerung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung an (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) – wenn der Arbeitgeber „spätestens“ in der auf das Nachversteuerungsereignis folgenden Lohnsteuer-Anmeldung unwiderruflich erklärt, im Fall der tatsächlichen Anteilsveräußerung (Nachversteuerungstatbestand gem. § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) für die dann anfallende Lohnsteuer zu haften.

Geregelt wird dies in einem neu eingefügten § 19a Abs. 4b EStG. Die Haftungsübernahme durch den Arbeitgeber ist danach nicht nur unwiderruflich.

Sie gilt auch unabhängig von einer ansonsten stattfindenden Ermessensprüfung (ob eine Inanspruchnahme des Startup-Unternehmens als Sekundärschuldner tunlich ist) und ohne, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, durch entsprechende Anzeige gegenüber dem Betriebsfinanzamt der Inanspruchnahme zu entkommen.

Kurzum kann man sagen: ein Startup-Unternehmen übernimmt nach dem Ref-E die Verantwortung dafür, dass nach Ablauf der Longstop-Frist (nach dem Ref-E: 20 Jahre) bzw. nachdem ein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hat die Lohnbesteuerung ordnungsgemäß stattfindet, wenn die Beteiligung des Mitarbeiters tatsächlich veräußert wird.

Da die Möglichkeit der vergünstigten Mitarbeiterkapitalbeteiligung nach § 19a EStG einen signifikanten wirtschaftlichen Vorteil für Startup-Unternehmen im Talentwettbewerb darstellt, erscheint es angemessen, dass die Startup-Unternehmen und ihre Geschäftsführer bzw. Vorstände in die Pflicht genommen werden, für eine saubere Umsetzung entsprechender Mitarbeiterbeteiligungsprogramme zu sorgen.

Zudem: Die Arbeitgeberhaftung und damit auch die persönliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung wird durch entsprechende Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in den Griff zu bekommen sein.

Insofern kann man sagen: der Vorschlag, der nun auf dem Tisch liegt, löst das Problem der„Dry Income“-Besteuerung auf ebenso wirksame wie angemessene Weise. In der Praxis wird die Haftungsübernahme durch den Arbeitgeber der Regelfall (vermutlich sogar eine vertragliche Selbstverpflichtung des Arbeitgeberunternehmens gegenüber den Teilnehmern eines 19a-EIP).

Insofern wird sich für die Beratungspraxis die Aufgabe stellen ESOP-Programme so auszugestalten, dass die Geschäftsleitung in der Lage ist, ihren steuerlichen Pflichten effektiv nachzukommen.

Möglichkeit der Pauschalbesteuerung

Nach dem Ref-E ist vorgesehen, dass die „Anfangsbesteuerung“ – also die zunächst aufgeschobene Lohnbesteuerung des geldwerten Vorteils aus der vergünstigten Anteilsüberlassung – mit einem Pauschalsteuersatz in Höhe von 25% (ggf. zzgl. SoliZ) erfolgen kann. Damit würde sowohl die Überlassung einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung als auch deren spätere Veräußerung (soweit die Beteiligung <1% beträgt) im Ergebnis einheitlich dem sog. „Abgeltungssteuersatz“ unterliegen.

Diese Pauschalierung bedeutet nicht nur einen erheblichen Steuervorteil für die am Startup-Unternehmen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (soweit deren Durchschnittssteuersatz bei der Einkommensteuer oberhalb von 25% liegt). Sie hat auch einen praktischen Vorteil: durch die Möglichkeit der Pauschalsatzbesteuerung würde sich die Frage der „Eingangsbewertung“ weniger relevant (wenn auch nicht bedeutungslos, denn z.B. stellt sie sich für die sofort fälligen Sozialversicherungsbeiträge).

Um die „Anfangsbesteuerung“ zutreffend zu ermitteln, müsste ein Startup-Unternehmen regelmäßig „19a-Wertgutachten“ erstellen (analog der sog. „409A-Bewertung“ in den USA). Mit einem pauschalen Steuersatz von 25% käme es letztlich auf den konkreten „Eingangswert“ bei Überlassung einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung praktisch nicht mehr an, soweit die Lohnsteuer betroffen ist.


Mehr zum Thema: Der Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes sieht auch die Möglichkeit von Mehrstimmrechtsaktien vor. Mehr dazu in unserem Blogbeitrag "Die Mehrstimmrechtsaktie - Neuauflage einer alten Bekannten".