Testamentsgestaltung bei Auslandsbezug
Besondere Herausforderungen können sich bei der Regelung der testamentarischen Erbfolge ergeben, wenn der Erblasser persönliche oder vermögensmäßige Bezüge ins Ausland hat. Solche Bezüge bestehen etwa, wenn ein Inländer im Ausland verstirbt, ein Ausländer inländisches Vermögen hält oder ein Inländer Vermögen im Ausland besitzt. In allen Konstellationen sind zunächst zwei Fragen streng zu unterscheiden. Erstens: Welches Erbrecht findet auf die Erbfolge Anwendung? Und zweitens: Welches Steuerrecht findet auf den Erbfall Anwendung? Außerdem ist zu klären, welche Verfahrensregeln für die Abwicklung eines solchen Nachlasses gelten. Die Beschäftigung mit diesen Fragen und insbesondere mit den Antworten auf sie führt häufig neben der eigentlichen Testamentserrichtung zu sonstigen lebzeitigen Dispositionen, die z.B. eine spätere Steuerlast senken oder die Abwicklung des Erbfalls durch die Erben erleichtern.

- Dr. Julian Schick Rechtsanwalt
Anwendbares Erbrecht
Seit dem Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung („EuErbVO“) am 17.8.2015 ist innerhalb der EU die Frage einheitlich geregelt, welches Erbrecht beim Erbfall zur Anwendung gelangt (sog. Nachlasseinheit). Aus deutscher Perspektive gilt nun anders als zuvor grundsätzlich das Erbrecht desjenigen Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers kommt es daher im Grundsatz nicht mehr an. Verstirbt also ein Deutscher, der in den letzten Jahren vor seinem Tod an der französischen Côt’d’Azur lebte, gelangt grundsätzlich französisches Erbrecht zur Anwendung. In diesem Fall würden auch etwaige in Deutschland belegene Immobilien nach französischem Erbrecht vererbt werden. Hat der Erblasser zwar ein Testament errichtet, jedoch im Glauben, dass Deutsches Erbrecht zur Anwendung gelangt, müsste das auf Deutsch verfasste Testament im Zweifel im Sinne des französischen Erbrechts interpretiert werden. Unklarheiten, Streitanfälligkeit und infolgedessen höhere Kosten der Abwicklung des Erbfalls sind dann vorprogrammiert. Möchte ein Inländer in diesem Fall sicherstellen, dass die in seinem Testament niedergelegten (wirtschaftlichen) Ziele auch tatsächlich erreicht werden, kann er die Anwendung des Erbrechts desjenigen Staates wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört (Art. 22 Abs. 1 EuErbVO). Im Beispiel wäre das Deutsches Erbrecht. Mehrstaater können unter mehreren Erbrechten wählen.
Besonderheiten können sich ergeben, wenn der Auslandsbezug über die Grenzen der EuErbVO hinaus reicht. Hatte der Erblasser vor seinem Tod seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt (aus Sicht der Vertragspartner der EuErbVO) in einem Drittstaat, kann das dazu führen, dass auf seinen Erbfall verschiedene Erbrechtsordnungen Anwendung finden, wenn das Vermögen entsprechend in verschiedenen Ländern verteilt ist (sog. Nachlassspaltung). Dies betrifft insbesondere Common Law Staaten, wie das Vereinigte Königreich, die USA oder Südafrika, aber auch Thailand oder Brasilien. Eine sog. faktische Nachlassspaltung kann sich zudem daraus ergeben, dass ein Erblasser Vermögen in einem Drittstaat hatte, auf das der Drittstaat sein eigenes Erbrecht anwendet, weil dessen Gerichte sich nicht an die von der EuErbVO angeordnete Nachlasseinheit gebunden sehen. In solchen Fällen ist es wichtig, beide Rechtsordnungen bei der Testamentsgestaltung zu berücksichtigen. Denn oftmals bestehen eklatante Unterschiede, z.B. in Bezug auf Pflichtteils- oder sogenannte Noterbrechte. Aus deutscher Sicht ist zu berücksichtigen, dass das bedarfsunabhängige Pflichtteilsrecht im Sinne einer Mindestteilhabe am Nachlass als unabdingbares Recht der Pflichtteilsberechtigten Teil der öffentlichen Ordnung („ordre public“) ist. Deutsche Gerichte würden daher trotz Anwendbarkeit einer ausländischen Erbrechtsordnung, die kein dem deutschen Pflichtteilsrecht entsprechendes Recht kennt, das deutsche Pflichtteilsrecht zur Geltung bringen. Je nach Konstellation ist in solchen Fällen ein Testament, in dem die verschiedenen Erbrechte verzahnt werden, zu errichten oder es sind mehrere abgestimmte, aber verschiedene Testamente, eins für jeden Spaltnachlass, zu errichten.
Anwendbares Erbschaftsteuerrecht
Die erbschaftsteuerlichen Folgen sind zunächst völlig unabhängig von der Frage zu beurteilen, welches materielle Erbrecht auf den Erbfall Anwendung findet. Für seine steuerliche Behandlung kommt es aus deutscher Sicht zunächst auf die steuerliche Ansässigkeit des Erblassers sowie der Erben bzw. Vermächtnisnehmer an. Sind diese im Inland ansässig, weil sie dort ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, fällt auf den gesamten Vermögensanfall infolge des Erbgangs grundsätzlich deutsche Erbschaftsteuer an („unbeschränkte Steuerpflicht“). Ist nur ein Erwerber von mehreren im Inland steuerlich ansässig, bezieht sich die deutsche Steuerpflicht nur auf den Anteil am Nachlass, der diesem Erwerber zufällt. Bei Deutschen, die ins Ausland wegziehen, besteht für fünf Jahre seit dem Wegzug eine „nachlaufende“ unbeschränkte Steuerpflicht, im Fall eines Wegzugs in die USA sogar für zehn Jahre.
Eine deutsche Steuerpflicht kann sich auch dann ergeben, wenn zwar weder Erblasser noch Erwerber im Inland ansässig sind, zum Nachlass jedoch sog. Inlandsvermögen gehört („beschränkte Steuerpflicht“). Dabei kann es sich z.B. um Immobilien und Anteile an Kapitalgesellschaften zu mindestens zehn Prozent handeln. Eine gegenständlich weitergehende beschränkte Steuerpflicht kann sich zudem aus Wegzügen Deutscher in niedrig besteuerte Länder für maximal knapp elf Jahre seit dem Wegzug ergeben, wenn der Wegzügler innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Wegzug davon mindestens fünf als Deutscher unbeschränkt steuerpflichtig war und nach dem Wegzug wirtschaftliche Interessen in Deutschland behält („erweiterte beschränkte Steuerpflicht“).
Zur Vermeidung einer eventuellen Doppelbesteuerung eines Erwerbs von Todes wegen durch mehrere Staaten sieht das deutsche Erbschaftsteuerrecht eine Anrechnungsregelung auf Antrag vor, die jedoch die unbeschränkte deutsche Erbschaftsteuerpflicht voraussetzt („unilaterale Anrechnung“). Angerechnet werden können grundsätzlich im Ausland festgesetzte und bezahlte Steuern auf sog. Auslandsvermögen. Je nachdem ob der Erblasser steuerlich Inländer war oder nicht, gelten als Auslandsvermögen mehr oder weniger Vermögensgegenstände. Allerdings unterbleibt eine Anrechnung stets insoweit, wie die ausländische Steuer auf den entsprechenden Erwerbsteil höher ausfällt als die deutsche Erbschaftsteuer. Neben der unilateralen Anrechnung nach dem deutschen Erbschaftsteuerrecht existieren mit einer Handvoll Länder sog. Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) und damit bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Diese Doppelbesteuerungsabkommen teilen entweder die Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten auf („Freistellungsmethode“) oder sehen ebenfalls eine Anrechnung vor, wobei dann der Staat, dessen Steuer am höchsten ist, das Besteuerungsniveau bezüglich des betroffenen Vermögens bestimmt („Anrechnungsmethode“). Aufgrund zahlreicher Besonderheiten ist jedes DBA im Einzelfall genau zu prüfen.
Bei der Gestaltung von Testamenten in Fällen mit Auslandsbezug sollten die steuerlichen Lasten stets mit bedacht werden, um besonders nachteilige, insbesondere doppelte Steuerlasten zu vermeiden. In einigen Fällen genügt es hierfür etwa, das Nachlassvermögen gegenständlich anders unter den Nachlassberechtigten zu verteilen als ursprünglich beabsichtigt. In anderen Fällen kann die erbschaftsteuerliche Analyse sinnvolle Anreize zur Umschichtung oder Umstrukturierung von Vermögensgegenständen noch zu Lebzeiten geben.
Internationale Nachlassabwicklung
Entscheidend für die Nachlassabwicklung durch die Erben bzw. die Vermächtnisnehmer ist in der Regel die Fähigkeit, sich als solche auszuweisen. Aus deutscher Perspektive ist hierfür grundsätzlich der Erbschein das erforderliche Legitimationspapier. Bei der Abwicklung von Auslandsvermögen, z.B. der Umschreibung der Eigentümerstellung bezüglich einer Immobilie in einem öffentlichen Register, wird der deutsche Erbschein oftmals nicht akzeptiert werden. Das Europäische Nachlasszeugnis hilft zwar in Fällen, in denen sich solches Auslandsvermögen in einem Mitgliedsstaat der EuErbVO befindet. Soweit sich das Auslandsvermögen allerdings in einem Drittstaat befindet, sind die lokalen Nachweiserfordernisse in den Blick zu nehmen und ist ggf. entsprechende Vorsorge zu treffen.
Fazit
Die denkbaren Konstellationen von Auslandsbeziehungen eines (deutschen) Erblassers sind unüberschaubar vielfältig und abhängig von den berührten Ländern. Entscheidend für die Testamentsgestaltung in diesen Fällen ist die nüchterne Analyse des Status Quo sowohl unter erbrechtlichen, erbschaftsteuerlichen sowie verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten. Sind aus Sicht der EuErbVO Drittländer involviert, wird die Zuziehung ausländischen Rechtsrats unumgehbar sein, damit sich ein vollständiges Bild ergibt. Nach der Analyse sind die Stellschrauben zu identifizieren, um die individuellen Ziele der Nachfolgeplanung zu erreichen. Insofern ist zu betonen, dass die Auslandsberührung zusätzliche Komplexität für die Testamentsgestaltung erzeugt, die etwa durch besondere Familien- und Vermögenskonstellationen ohnehin schon hoch sein kann. In einfach gelagerten internationalen Fällen kann dann durch eine Rechtswahl das deutsche Erbrechtsinstrumentarium genutzt werden, um die eigentlichen Ziele des Erblassers zu verwirklichen. In komplexeren Fällen müssen ggf. zusätzlich weitere Testamente nach ausländischem Erbrecht errichtet sowie lebzeitige Vermögensumschichtungen vorgenommen werden.