Long Tail-Klauseln in M&A-Beraterverträgen

Corporate 07.06.2023

M&A-Transaktionen im Tech-Bereich werden auf Verkäuferseite häufig von M&A-Beratern begleitet. Sie unterstützen die Verkäufer (bei denen üblicherweise die Gründer und M&A-erfahrene Mitglieder des Boards federführend sind) bei der Vorbereitung der Transaktion und steuern den Verkaufsprozess. Neben diesen unterstützenden Tätigkeiten besteht die Kernaufgabe von M&A-Beratern darin, passende Käufer zu identifizieren, diese anzusprechen und die Verkäuferseite bei den kommerziellen Verhandlungen zu unterstützen.

Die Verträge, die mit M&A-Beratern geschlossen werden, sind ebenso hoch dotiert wie komplex. Oft werden sie ohne anwaltliche Unterstützung verhandelt. Das führt immer wieder zu teuren Missverständnissen. Das gilt vor allem für sog. "Long Tail"-Klauseln, die in fast jedem M&A-Beratervertrag zu finden sind und die in ihrer wirtschaftlichen Tragweite meist verkannt werden.

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Managing Director, Rechtsanwalt für M&A/Steuern und Steuerberater

Vergütung von M&A-Beratern

M&A-Berater erhalten für ihre Tätigkeit meist eine laufende Fixvergütung. Dieser sog. Retainer macht aber üblicherweise nur einen kleinen Teil der Gesamtvergütung aus.

Der weit überwiegende Teil der Gesamtvergütung besteht in einer erfolgsabhängigen Success Fee. Diese ist nur zu entrichten, wenn die beabsichtigte M&A-Transaktion tatsächlich vollzogen (geclosed) wird. Der Retainer wird dann meist angerechnet.

Das Erfolgshonorar beträgt in der Regel um 2-3% des Transaktionsvolumens, ggf. wird eine vom Transaktionsvolumen unabhängige Minimum Fee verlangt.

Man sieht: M&A-Beraterverträge sind hoch dotierte Verträge. Die Erfolgshonorare liegen hier schnell im hohen sechs-, mitunter im siebenstelligen Bereich. Erstaunlicherweise werden M&A-Beraterverträge allzu oft ohne anwaltliche Beratung verhandelt. So kommt es mitunter zu – sehr teuren – Missverständnissen.

Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (1 U 311/20, GmbHR 2023, 443)

So war es auch einem Fall, über den kürzlich das OLG Frankfurt a.M. (rechtskräftig) entschieden hat. Die verkaufswilligen Unternehmenseigentümer hatten hier einen M&A-Beratervertrag mit ihrer Hausbank geschlossen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses waren die Verkäufer schon in fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem potenziellen Käufer.

Nach dem M&A-Beratervertrag erbrachte die Bank typische, transaktionsbegleitende Dienstleistungen (Befüllen des Datenraums einschl. Schwärzen von Dokumenten, Erstellen von Berechnungen, Erstellung von SPA-Anlagen etc.). Für den Verkaufsfall sollte sie eine als Prozentsatz des Transaktionsvolumens bemessene Success Fee erhalten.

Der M&A-Beratervertrag hatte eine Laufzeit bis zum Jahresende 2018. Der Vertrag sah aber darüber hinaus vor, dass die Success Fee auch dann zu zahlen ist, wenn der Verkaufsfall innerhalb von 24 Monaten nach Vertragsende zustande kommt – um diese Klausel ging es hier maßgeblich. Man bezeichnet sie als „Long Tail“-Klausel, die in der ein oder anderen Form in praktisch jedem M&A-Beratervertrag zu finden ist.

Es kam, wie es kommen musste: der Verkauf mit dem „ersten“ Käufer fand nicht statt. Verkauft wurde das Unternehmen schließlich dennoch, allerdings erst im Jahr 2019 – also nach Beendigung des M&A-Beratervertrags. Den Käufer hatte der M&A-Berater gar nicht nachgewiesen und auch am Verkauf nicht weiter mitgewirkt. Seine „Mitwirkung“ bestand allein darin, dass die von ihm erstellten Unterlagen im Rahmen des Verkaufs 2019 „recycled“ wurden.

Der M&A-Berater klagte nun seine Success Fee ein, die die Verkäufer wegen des als allzu gering empfundenen Einsatzes des M&A-Beraters nicht zahlen wollten.

Wie würden Sie entscheiden?

Das OLG Frankfurt a.M. entschied, dass die Success Fee trotz des Verkaufszeitpunkts (2019) zu zahlen war, weil der M&A-Beratervertrag dies in Gestalt der „Long Tail“-Klausel eben eindeutig so vorsah. Das Gericht ging sogar noch einen Schritt weiter: sogar ohne ausdrückliche „Long Tail“-Klausel sei das Erfolgshonorar hier womöglich angefallen.

Das Argument, dass die Verkäufer bei Abschluss des M&A-Beratervertrags nicht anwaltlich vertreten waren und deshalb die Tragweite der „Long Tail“-Klausel womöglich nicht erfassten, ließ das OLG Frankfurt a.M. nicht gelten.

Auch auf den Grad der Mitwirkung des M&A-Beraters – oder gar den konkreten Käufernachweis – kam es nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. nicht an. Die tatsächlich erbrachten Mitwirkungsleistungen seien ausreichend, und der M&A-Beratervertrag (wie es allgemein üblich ist) ließe jede Verkaufstransaktion genügen.

Was folgt daraus für die Praxis

M&A-Beraterverträge lassen sich immer verhandeln, und sie müssen im Detail verstanden und verhandelt werden. Wie der Praxisfall hier zeigt: M&A-Beraterverträge sind komplexe, nicht eben einfach zu durchdringende Vertragswerke.

Wenn die Verkäufer bspw. bereits in konkreten Verkaufsgesprächen sind, kann die Success Fee hierfür fast immer heruntergesetzt werden. „Long Tail“-Klauseln lassen sich meist nicht wegverhandeln – aber sowohl der zeitliche Rahmen als auch Ausnahmen oder eine Herabsetzung der Vergütung für bestimmte Fallkonstellationen sind üblicherweise einigungsfähig. Für den Beginn des „Long Tail“ muss es immer einen klaren Anknüpfungspunkt geben (typische Praxisfalle: der „Long Tail“ schließt an die Kündigung des M&A-Beratervertrags an, die regelmäßig vergessen wird).

Aufgrund des OLG-Urteils sollte zudem darauf geachtet werden, in Verträgen ohne „Long Tail“-Klausel klarzustellen, dass nach Vertragsende vollzogene Transaktionen kein Erfolgshonorar auslösen.