Grover, StaRUG & Co: Müssen Gründer jetzt um ihre Beteiligung bangen?
Der Fall Grover hat das StaRUG schlagartig auf den Radar von Gründer:innen und VCs gebracht – verbunden mit einer brisanten Frage: Können Founder durch das Verfahren tatsächlich überstimmt oder sogar enteignet werden? In diesem Beitrag erklären wir, wie das StaRUG funktioniert, was beim Fall Grover wirklich passiert ist – und warum der Einsatz des Instruments nicht automatisch ein Kontrollverlust für Gründer bedeutet.
Wer das StaRUG versteht, kann es strategisch für die Unternehmenssicherung nutzen – statt die Kontrolle zu verlieren.


- Michelle Karrer Rechtsanwältin

- Dr. Cornelius Karcher Rechtsanwalt
Der Fall Grover hat dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) unverhofft Öffentlichkeit beschert – auch in der Venture Capital Szene. Im Herbst 2024 war der Presse zu entnehmen, dass bei dem einstigen Unicorn zwischen Gesellschaftern und Finanzgläubigern über eine umfassende Finanzrestrukturierung verhandelt wurde. Während alle drei Gläubigergruppen dem Restrukturierungsplan zustimmten, verweigerten die Anteilseigner ihr Votum. Dennoch wurde der Plan umgesetzt. Die fehlende Zustimmung der Anteilseigner sei durch eine gruppenübergreifende Mehrheit ersetzt worden – ein sogenannter „Cross-Class Cram-Down“. Frisches Kapital kam von Investoren, die dafür neue Anteile erhielten – ebenso wie Finanzgläubiger, die Sanierungsbeiträge leisteten. Die Bestandsinvestoren hingegen, darunter offenbar auch Gründer, gingen leer aus: Wer kein neues Kapital beisteuerte, bekam lediglich eine synthetische Beteiligung. Die Folge: Deutlich weniger Einfluss, möglicherweise sogar Kontrollverlust.
In diesem Beitrag erfährst Du:
- Was ist das StaRUG – und wozu dient es?
- Ist das StaRUG auf Start-Ups anwendbar?
- Ablauf eines StaRUG-Verfahrens - Schritt für Schritt
- Ob das StaRUG ein echtes Risiko für Gründern bedeutet
(1) Was ist das StaRUG – und wozu dient es?
Das StaRUG ist ein Frühwarninstrument für Unternehmen in der Krise. Es soll die Sanierung ermöglichen, bevor eine Insolvenz eintritt – und genau das macht es für Start-ups besonders interessant.
Schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit sollen Unternehmen eigenständig Maßnahmen zum Erhalt des Unternehmens einleiten, ohne auf ein gerichtliches Insolvenzverfahren angewiesen zu sein. Ist ein Unternehmen zwar noch zahlungsfähig ist, aber ernsthafte Liquiditätsprobleme drohen, kann es auf Basis eines Restrukturierungsplans Maßnahmen zur Entschuldung ergreifen. Dazu zählen z. B. neue Zahlungsvereinbarungen, Rangrücktritte oder – in Extremfällen – ein Schuldenschnitt. Unterstützt wird dieser Prozess häufig durch einen gerichtlich bestellten Restrukturierungsbeauftragten.
Damit der Plan greift, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- eine qualifizierte Mehrheit der betroffenen Gläubiger stimmt zu,
- Gläubiger werden gemäß ihrem Rang gleichbehandelt, und
- die Maßnahmen sind sachgerecht und begründet.
Auf Antrag kann das Gericht zudem Zwangsvollstreckungen stoppen – und: Die Restrukturierung erfolgt auf Wunsch vollständig vertraulich – ein klarer Vorteil gegenüber der öffentlichen Insolvenz.
(2) Ist das StaRUG auf Start-Ups anwendbar?
Das StaRUG gilt für alle juristischen Personen, unabhängig von ihrer Größe oder Branche. Betroffen sind also auch Start-Ups und Growth-Ups. Entscheidend ist, dass Zahlungsunfähigkeit zwar droht, aber noch nicht eingetreten ist. Der Prognosezeitraum dafür beträgt 24 Monate. Gerade hier liegt die Relevanz für Gründer:innen: Viele Start-Ups und Wachstumsunternehmen operieren mit engem Runway und sind besonders anfällig für finanzielle Schieflagen. Ob unvorhergesehene Marktentwicklungen, fehlende Anschlussfinanzierung oder operative Herausforderungen und Fehlstarts – der Weg in die Liquiditätskrise ist oft kurz. Deshalb gilt: Start-Ups müssen frühzeitig auf Anzeichen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit reagieren und die Geschäftsleitung muss die entsprechenden Maßnahmen (siehe hierzu Teil 2: StaRUG-Titel Teil 2) ergreifen.
(3) Ablauf eines StaRUG-Verfahrens - Schritt für Schritt
Ein StaRUG-Verfahren folgt einem klar geregelten Ablauf, der bewusst flexibel und diskret gehalten ist – und sich damit gut für wachstumsorientierte Start-ups eignet:
Ein StaRUG-Verfahren beginnt damit, dass das Unternehmen seine Restrukturierungsabsicht muss beim Restrukturierungsgericht angezeigt. Ab diesem Moment ruht die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen – ein bedeutender Vorteil für die Geschäftsleitung, denn das Unternehmen erhält Zeit, um außergerichtlich oder gerichtlich eine Sanierung umzusetzen.
Anschließend wird den betroffenen Gläubigern – den sogenannten Planbetroffenen – ein Restrukturierungsplan vorgelegt. Die Planabstimmung kann mit (gerichtliche Planabstimmung) oder ohne (außergerichtliche Planabstimmung) Beteiligung des Restrukturierungsgerichts erfolgen. Der Vorteil der gerichtlichen Planabstimmung besteht darin, dass Streit über den ordnungsgemäßen Ablauf des Abstimmungsverfahrens vermieden wird.
Abgestimmt wird in Gruppen, die im Restrukturierungsplan definiert werden. Stimmberechtigt sind nur Gläubiger, deren Rechte durch den Restrukturierungsplan betroffen sind. Für die Annahme des Restrukturierungsplans ist grundsätzlich eine Mehrheit von 75% der in jeder Gruppe bestehenden Stimmrechte erforderlich.
Wird dies erforderliche Mehrheit verfehlt, sieht das StaRUG den aus dem Grover-Verfahren bekannten Cross-Class Cram-Down vor: Dabei ersetzt die Zustimmung anderer Gruppen das fehlende Votum der ablehnenden Gruppe. Sofern im Restrukturierungsplan nur zwei Gruppen vorgesehen sind, ist die Zustimmung einer Gruppe ausreichend und die Betroffenen der ablehnenden Gruppe werden überstimmt; die zustimmenden Gruppen dürfen aber nicht ausschließlich durch Anteilsinhaber oder nachrangige Restrukturierungsgläubiger gebildet sein.
Wird der Plan mit den erforderlichen Mehrheiten angenommen, muss das Restrukturierungsgericht ihn bestätigen. Erst mit dieser gerichtlichen Bestätigung entfalten die vorgesehenen Maßnahmen ihre Wirkung – auch gegen den Willen einzelner Stakeholder. Scheitert die Abstimmung oder wird der Plan nicht bestätigt, bleibt dem Unternehmen meist nur der Gang zum Insolvenzgericht.
(4) Auswirkung des Restrukturierungsplans auf das Start-Up.
Der Gestalter des Restrukturierungsplans kann durch die Bildung der Gläubigergruppen gezielt Einfluss auf die Zustimmung nehmen.Das StaRUG lässt hier einen gewissen Gestaltungsspielraum – macht aber auch klare Vorgaben zur Bildung sogenannter Pflichtgruppen Die typische Finanzierungsstruktur von Start-ups, also
- Gesellschafterbeiträge (Equity),
- (nachrangige) Gesellschafterdarlehen und
- (selten) Bankdarlehen,
wird meistens dazu führen, dass lediglich zwei Pflichtgruppen gebildet werden: Equity und nachrangige Restrukturierungsforderungen (Gesellschafterdarlehen, CLAs mit vertraglichen Rangrücktritt) – und das hat erhebliche Auswirkungen. Dies macht die Überstimmung der Gründer unwahrscheinlich. Denn stimmen in einem solchen zwei-Gruppen-Szenario die Gruppe der Gesellschafter nicht mit der erforderlichen Mehrheit zu, reicht es in diesem Fall gerade nicht aus, dass nur die andere Gruppe, die Gläubiger nachrangiger Restrukturierungsforderungen, zustimmt.
Anders im Fall Grover. Dort wurde neben den beiden üblichen Gruppen eine dritte geschaffen, sodass eine überstimmende gruppenübergreifende Mehrheit rechtlich möglich war. Den Gründern wurde somit – vereinfacht gesagt – ihre komplexe Finanzierungsstruktur zum Verhängnis.
Das StaRUG bietet Start-ups und Growth-Ups mit drohenden Liquiditätsproblemen eine wichtige Alternative zum Insolvenzverfahren. Es ermöglicht die frühzeitige Restrukturierung schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit und kann zur Rettung des Unternehmens beitragen. Die Befürchtung, dass das StaRUG-Verfahren als "Hintertür" zur Entmachtung von Gründern und Bestandsgesellschaftern genutzt werden könnte, erscheint aber bei genauerer Betrachtung der Verfahrensregeln als weitgehend unbegründet.