Gestaltungsmissbrauch durch Anteilsrotation

BFH News 09.03.2023

Das genannte Urteil behandelt auch in Bezug auf Startups wichtige Themen wie die (Nicht-) Anerkennung von Gestaltungen, das wirtschaftliche Eigentum an Kapitalgesellschaftsanteilen sowie Aussagen zu Unternehmensbewertungen.

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Rechtsanwalt, Steuerberater und Prokurist

BFH, Urteil vom 20. September 2022, Aktenzeichen IX R 18/21, veröffentlicht am 26. Januar 2023, vorgehend Sächsisches Finanzgericht vom 6. Mai 2021, Aktenzeichen 8 K 1102/20

Leitsatz

Durch wechselseitige Veräußerung von Gesellschaftsanteilen (sog. Anteilsrotation) kann beim jeweiligen Veräußerer ein Verlust entstehen. Dieser Verlust ist unter Umständen nicht berücksichtigungsfähig.

Beruht die Realisierung des Verlustes auf der Vereinbarung eines Kaufpreises, der den Wert des Anteils „krass“ (BFH) verfehlt, so führt dies zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil. Es handelt sich dann um einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AO.

Erläuterung Anteilsrotation

An einer Gesellschaft sind zwei Gesellschafter zu jeweils 50 % beteiligt. Ihre Geschäftsanteile sind gleich viel wert. Bei einer Anteilsrotation veräußern die beiden Gesellschafter ihre jeweiligen Geschäftsanteile zum selben Kaufpreis. Sie rotieren ihre Geschäftsanteile untereinander. Unterschreitet der Kaufpreis die jeweiligen Anschaffungskosten entsteht ein grundsätzlich anzuerkennender (BFH) Veräußerungsverlust.

Verkürzte Begründung

Argument für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs ist nicht die Anteilsrotation als solche. Für den BFH ist die Übertragung von gleichen Anteilen am selben Tag zum selben Preis wohl unproblematisch. Der vereinbarte Kaufpreis muss dabei allerdings den tatsächlichen Wertverhältnissen der Gesellschaftsanteile entsprechen.

Anknüpfungspunkt für den Gestaltungsmissbrauch war im Streitfall ein wohl weit unter Wert angesetzter Kaufpreis im Rahmen der Anteilsrotation. Insbesondere wenn dieser Kaufpreis allein deswegen vereinbart wird, um dadurch einen (verrechenbaren) Verlust zu realisieren. So der BFH in seiner aktuell veröffentlichten Entscheidung.

Der Verlust stellt dann nur „das rechnerische Ergebnis“ der Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern dar. Er beruht nicht auf einer tatsächlichen Wertminderung der Gesellschaftsanteile. Vielmehr wurde der Verlust durch die Anteilsrotation künstlich geschaffen.

Die wechselseitige Veräußerung gleichwertiger Anteile zum gleichen Kaufpreis führt zu keiner wirtschaftlichen Veränderung bei den Gesellschaftern. War diese zudem nicht gewünscht, gilt dies als Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung.

Die Besteuerung und auch die mögliche Berücksichtigung realisierter Verluste beruhen auf dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit. Ein allein durch die gewählte Gestaltung hervorgerufener Verlust kann deswegen nicht berücksichtigt werden.

Der Verlust steht dann nicht mehr im Zusammenhang mit einer realen Wertminderung des Anteils und auch nicht mit einer geminderten Leistungsfähigkeit des Gesellschafters.

Ein Gestaltungsmissbrauch kann durch das Vorbringen beachtlicher außersteuerlicher Gründe gerechtfertigt sein. Durch die Berücksichtigung des Verlustes in den Steuererklärungen der Gesellschafter sollten Steuererstattungsansprüche realisiert werden.

Diese sollten dann zur Tilgung privater Kredite genutzt werden. Um zu berücksichtigende beachtliche außersteuerliche Gründe handelt es sich hierbei nicht.

Handlungsoption

Bei wertgeminderten Beteiligungen kann die Anteilsrotation ggf. Zur Verlustrealisierung genutzt werden. Durch einen so generierten Verlust können etwaig entstehende Steuererstattungsansprüche in die Gesellschaft reinvestiert werden und so als Baustein zur Finanzierung einer notleidenden Gesellschaft dienen. Denn die Durchführung einer Anteilsrotation ist nicht per se rechtsmissbräuchlich.

Bei der Vereinbarung muss darauf geachtet werden, dass der Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Geschäftsanteile widerspiegelt.