Auswirkungen des aktuellen Marktumfelds auf Mitarbeiterbeteiligungen

Corporate 05.06.2023

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und Krisen, wie wir sie in jüngster Zeit erlebt haben (aktuellen Zahlen zufolge, ist das Funding Volumen in Europa im Vergleich von Q1 2023 zu Q1 2022 um 66% zurückgegangen*), stehen Unternehmen vor großen Herausforderungen. Eine solche Krise kann zu einem Rückgang der Unternehmensbewertung und zu finanziellen Engpässen führen, die auch Mitarbeiterbeteiligungsprogramme wie ESOP oder VSOP beeinflussen können.

ESOPVSOP Marktlage

Auf dem Venture Capital Markt spiegelt sich die aktuelle Krise nicht nur in der Anzahl der durchgeführten Finanzierungsrunden wider, sondern auch im Volumen, das in der jeweiligen Runde investiert wird. Zudem sind die Bewertungen, die Gründer für ihr Unternehmen aufrufen können, in vielen Fällen stark gesunken. Ob die vorangegangene Bewertung, die in vielen Fällen auch dem zugegebenermaßen sehr überhitzten Markt zugeschrieben werden konnte, gerechtfertigt bzw. realistisch war, ist dabei irrelevant, denn allein eine auf dem Papier gesunkene Bewertung führt oft schon zur Anwendung sogenannter Downround Protection Klauseln.

Diese Faktoren wirken sich für Startups nicht nur unmittelbar finanziell aus, sondern haben auch zur Folge, dass Investoren wesentlich härtere Terms verhandeln als dies beispielsweise noch 2021 in einem sehr gründerfreundlichen Umfeld der Fall war. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet und die Vertragsbedingungen werden seit letztem Jahr wieder zunehmend investorenfreundlicher. Neben niedrigerer Preise, die Investoren momentan für die Anteile an einem Startup zahlen müssen, lassen sie sich vermehrt mehrfache Liquidationspräferenzen (also Regelungen, die sicherstellen, dass der jeweilige Investor im Falle eines Exits Faktor X seines Investments vorab ausgezahlt bekommt) zusichern. Durch die höhere Relevanz von Downround Protection Klauseln wird auch hier viel härter verhandelt und neben längeren Laufzeiten über die nächste Finanzierungsrunde hinaus werden auch die Berechnungsgrundlagen investorenfreundlicher ausgestaltet.

Was haben die oben aufgeführten Veränderungen für Auswirkungen auf Mitarbeiterbeteiligungen?

Insbesondere Startups sind auf Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in Form von ESOP oder VSOP angewiesen, da sie mit ihren oft niedrigeren Gehältern in einem stark umkämpften Markt um Fachkräfte sonst nicht konkurrenzfähig sind. Zudem werden Mitarbeiter durch ESOPs/VSOPs incentiviert, das Wachstum ihres Unternehmens voranzutreiben, da sie an einem Wertzuwachs unmittelbar selbst partizipieren. Mitarbeiterprogramme sind damit ein unglaublich wichtiges Werkzeug, um Bindung und Motivation von Mitarbeitern zu steigern, was gerade in Krisenzeiten umso wichtiger ist für ein Unternehmen.

Die vorgenannten Entwicklungen bei Finanzierungsrunden können – auch wenn das auf den ersten Blick nicht sofort ersichtlich ist – erhebliche Auswirkungen auf den Wert von Mitarbeiterbeteiligungen haben.

Warum ist das so? Das hat vor allem zwei Gründe:

  1. Bei höheren Liquidationspräferenzen fließt im Falle eines Exits noch mehr Geld zuerst an die Investoren, bevor es an die Inhaber von Common Shares – und das sind Mitarbeiter nach Ausübung ihrer Anteilsoptionen – gezahlt wird. Auch bei einem VSOP bemisst sich die Höhe des Zahlungsanspruchs der Mitarbeiter am Exiterlös nach Bedienung aller Liquidationspräferenzen, so dass die Mitarbeiter kommerziell den Inhabern von Common Shares gleichgestellt sind.
  2. Bei sogenannten Downrounds, also Finanzierungsrunden mit einer geringeren Bewertung als in der vorangegangenen Finanzierungsrunde, sichern sich zumindest die Investoren der letzten Finanzierungsrunde (manchmal auch darüber hinausgehend) dadurch ab, dass sie als Kompensation für die gesunkene Bewertung weitere Anteile an dem Unternehmen zum Nominalwert bekommen (sog. Downround Protection). Diese zusätzlichen Anteile führen dazu, dass die ESOPs der Mitarbeiter weiter verwässern.

Was können Unternehmen tun, um diese Nachteile für ihre Mitarbeiter zu kompensieren?

Hier gibt es im Wesentlichen zwei Stellschrauben:

  • Zum einen kann die Verwässerung der ESOPs und VSOPs durch eine zusätzliche Ausgabe von ESOPs/VSOPs kompensiert werden ähnlich wie bei der Downround Protection der Investoren. Das ist unter Umständen mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand verbunden, denn die Neuausgabe von ESOPs/VSOPs erfordert in den meisten Fällen einen Gesellschafter- und/oder Beiratsbeschluss, da dies auch zu einer Verwässerung der bestehenden Anteile führt.
  • Zum anderen kann man den Ausgabepreis (sog. Strike Price) der ESOPs/VSOPs im Rahmen eines Re-Pricings heruntersetzen und damit die finanzielle Belastung der Mitarbeiter bei Ausübung der Optionen bzw. bei Geltendmachung des Zahlungsanspruchs verringern. Üblicherweise entspricht der Strike Price dem Wert, den ein echter Anteil zum Zeitpunkt der Ausgabe der ESOPs/VSOPs hat und damit meist dem Preis, der in der letzten Finanzierungsrunde hierfür von den Investoren gezahlt wurde. Hierdurch verhindert man zum einen, dass Mitarbeiter finanziell bessergestellt werden als andere Gesellschafter und zum anderen kann man so sicherstellen, dass Mitarbeiter erst an dem Wertzuwachs des Unternehmens partizipieren, welches dieses nach der Einstellung des jeweiligen Mitarbeiters generiert. Der Strike Price muss jedoch von den Mitarbeitern nicht bei Zuteilung der ESOPS/VSOPs in bar errichtet werden, sondern wird mit dem Zahlungsanspruch des Mitarbeiters im Rahmen eines Exits verrechnet bzw. muss bei Ausübung der Option für die Übernahme der Anteile gezahlt werden. Wenn nun der Strike Price herabgesetzt wird, sei es auf den reduzierten Wert der Anteile in Folge einer Downround oder sei es sogar auf 0,00 €, so erhöht dies den Wert der Anteilsoptionen unmittelbar, auch wenn sich dies erst zum Zeitpunkt der Ausübung auswirkt. Für die Durchführung des Re-Pricings muss lediglich der Strike Price im Rahmen der Zuteilungsvereinbarung mit dem jeweiligen Mitarbeiter angepasst werden. Zwar ist die Zuteilungsvereinbarung ein beidseitiger Vertrag zwischen Unternehmen und Mitarbeiter, aber die Unterschrift des Mitarbeiters wird hier faktisch keine Hürde darstellen.

* Quelle: Crunchbase