Neues vom BFH: Auch Begünstigte von Familienstiftungen und -trusts aus Drittstaaten können der Hinzurechnungsbesteuerung entkommen

Blog 08.09.2025

Der BFH entschied am 3.12.2024, dass die sogenannte Escape-Klausel bei der Hinzurechnungsbesteuerung auch für Familienstiftungen und -trusts aus Drittstaaten außerhalb der EU und des EWR gilt. Diese Klausel kann verhindern, dass Stiftungseinkünfte den Einkünften der in Deutschland steuerpflichtigen Begünstigten zugerechnet werden. Voraussetzung für die Anwendung ist der Entzug der Verfügungsmacht nach zivilrechtlichen Maßstäben, eine wirtschaftliche Betrachtung spielt keine Rolle.

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Attorney

Der Bundesfinanzhof („BFH“) hat am 24. April 2025 eine Entscheidung veröffentlicht, von der Begünstigte von ausländischen Familienstiftungen oder -trusts profitieren können, die in Deutschland steuerpflichtig sind (BFH v. 3.12.2024 – IX R 32/22).

Worum geht es?

Begünstigten von ausländischen Familienstiftungen, die in Deutschland steuerpflichtig sind, werden unter bestimmten Voraussetzungen Einkünfte dieser Stiftungen für Zwecke der Einkommensbesteuerung zugerechnet (§ 15 Abs. 1 AStG). Diese sog. Hinzurechnungsbesteuerung kann deshalb besonders unangenehm für die Betroffenen sein, da bei den Begünstigten Steuer- und damit Liquiditätsbelastungen entstehen, ohne dass ihnen tatsächlich Mittel zufließen („Dry Income“). Zwar unterliegen etwaige tatsächliche Auskehrungen an sie keiner weiteren Ertragsbesteuerung, soweit diese bereits zugerechnet wurden. Allerdings tragen die Steuerpflichtigen auch dann einen Zinsnachteil, weil sie das zur Zahlung der Hinzurechnungssteuer aufgewendete Vermögen in der Zwischenzeit nicht nutzen konnten. Für Begünstigte von inländischen Familienstiftungen gibt es eine solche Hinzurechnungsbesteuerung nicht.

Das Gesetz zur Hinzurechnungsbesteuerung eröffnet buchstäblich einen Ausweg aus diesem Mechanismus, wenn die Begünstigten nachweisen können, dass sie rechtlich und tatsächlich keine Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen haben. Jedoch steht dieser Ausweg nach dem Gesetzestext nur solchen Personen offen, die Begünstigte von Familienstiftungen sind, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens haben und die Bundesrepublik Deutschland mit diesem Staat ein Abkommen unterhält, das Amtshilfe mittels Informationsaustauschs gewährleistet („Escape-Klausel“; § 15 Abs. 6 AStG).

Begünstigte von den beliebten Familienstiftungen mit Sitz oder Geschäftsleitung in Liechtenstein als EWR-Mitgliedsstaat konnten bislang und können weiterhin von dieser Escape-Klausel profitieren. Im Einzelnen waren insbesondere die Voraussetzungen des Entzugs der Verfügungsmacht umstritten und damit in der Praxis rechtsunsicher.

Welche Neuigkeiten hierzu gibt es?

Der BFH hat nun im Fall einer Schweizer Familienstiftung entschieden, dass auch Begünstigte von Familienstiftungen aus Drittstaaten außerhalb der EU und des EWR-Raums Gebrauch von der Escape-Klausel machen und damit die Hinzurechnungsbesteuerung vermeiden können. Außerdem hat er die Voraussetzung der Escape-Klausel näher konkretisiert und hilfreiche Hinweise für die Praxis gegeben, wann der Entzug der Verfügungsmacht vorliegt. Hiermit hat der BFH bislang umstrittene Rechtsfragen zugunsten einer Vielzahl von Steuerpflichtigen entschieden und für erfreuliche Rechtssicherheit gesorgt:

  • Der BFH hat ausgeführt, die im Gesetz ausdrücklich formulierte Beschränkung der Escape-Klausel auf Familienstiftungen mit Sitz in EU- bzw. EWR-Mitgliedsstaaten verstoße gegen die in den Europäischen Verträgen garantierte sog. Kapitalverkehrsfreiheit in unzulässiger- und ungerechtfertigterweise. Diese Garantie gelte ausdrücklich auch für Drittstaaten – wie die Schweiz – (Art. 63 Abs. 1 AEUV).
  • Um zu beurteilen, ob den Begünstigten die Verfügungsmacht entzogen ist, komme es darauf an, ob diese zivilrechtlich die Herausgabe des Stiftungsvermögens unmittelbar bewirken können. Eine Verfügungsmacht könne insbesondere aufgrund einer Organstellung in der Stiftung (z.B. als Stiftungsrat) oder aufgrund von Weisungsrechten gegenüber dem verfügungsbefugten Stiftungsorgan entstehen.
  • Die Voraussetzungen der Escape-Klausel müssen für jeden Veranlagungszeitraum gesondert beurteilt werden, für den Einkünfte im Sinne der Hinzurechnungsbesteuerung zugerechnet würden.
  • Diese Maßstäbe gelten nicht nur für Familienstiftungen mit Sitz oder Geschäftsleitung in Drittstaaten, sondern auch für sonstige Vermögensmassen ausländischen Rechts (z.B. Trusts).

Worauf sollten Betroffene achten?

Wegen der veranlagungsbezogenen Betrachtung sollten Begünstigte bzw. Anfallberechtigte regelmäßig evaluieren (lassen), ob sie als Begünstigte im Sinne der Hinzurechnungsbesteuerung gelten oder, falls ja, gar Verfügungsmacht im Sinne der Escape Klausel besitzen. Denn häufig sehen Stiftungs- bzw. Truststatuten eine gestaffelte Begünstigung oder Verfügungsmacht vor, die jeweils erst zum Tragen kommt, wenn ein vorrangig Begünstigter oder Verfügungsberechtigter wegfällt.

Soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig geworden sind, können Begünstigte ggf. auch für vergangene Veranlagungszeiträume von der Entscheidung des BFH profitieren.

Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Escape-Klausel können in Deutschland ansässige Begünstigte Anzeige- und Erklärungspflichten auch in Bezug auf ausländische Familienstiftungen oder -trusts treffen.

Vor einem Zuzug nach Deutschland sollte geprüft werden, ob die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung greifen würden. Falls ja, sind ggf. die Stiftungs- bzw. Truststatuten zivilrechtlich zu ändern, um so die Escape-Klausel anwenden zu können.


Ausblick

Die Entscheidung des BFH schafft Rechtssicherheit für Begünstigte von ausländischen Familienstiftungen und -trusts und schränkt die Anwendbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung in erfreulicher und überzeugender Weise ein. Für Deutsche Steuerpflichtige dürften hierdurch Stiftungsstandorte jenseits von Liechtenstein an Attraktivität gewinnen, die bislang von der Anwendung der Escape-Klausel nicht profitieren konnten. Im Wettbewerb attraktiver Stiftungsstandorte dürfte damit aus deutscher Perspektive das jeweilige Stiftungszivilrecht weiter an Bedeutung gewinnen. Es bleibt abzuwarten, wie Finanzverwaltung und Gesetzgeber auf das Urteil reagieren.