Mehr Kapital für Start-ups: Bayerische Initiative will Stiftungen als Investoren gewinnen
Start-ups in Deutschland kämpfen bei ihrer Finanzierung mit strukturellen Hindernissen, die ihre ausländischen Konkurrenten nicht haben. Business Angels und Seed-Investoren finanzieren die Anfangsphase, in der Wachstumsphase fehlt es dann aber häufig an Kapitalgebern. Vor allem größere Finanzierungsrunden scheitern häufig daran, dass es hierzulande zu wenige Investoren mit langfristiger Orientierung gibt.


- Dr. Julian Schick Attorney

- Dr. Cornelius Karcher Attorney
Ein aktueller Beschluss des Bayerischen Landtags will diese Lücke schließen (vgl. BayLT-Drs. 19/7737): Bayerische Stiftungen sollen künftig ausdrücklich einen Teil ihres Vermögens – ca. 1 bis 5 Prozent – in Venture-Capital-Fonds oder -Dachfonds investieren dürfen. Stiftungen bestehen häufig über Jahrzehnte und eignen sich ideal für (auch große) Investments mit langfristigem Anlagehorizont. Ein Blick in die USA zeigt, dass die sog. Endowments der großen Universitäten beeindruckende Renditen erzielen (vgl. insbesondere das „Yale Endowment“).
Der bayerische Vorstoß gibt der Finanzierung von Innovation und Unternehmertum einen wichtigen Impuls und stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Aktuelle Rechtslage
Nach aktueller Rechtslage stehen Stiftungen bei der Vermögensverwaltung im Spannungsfeld unterschiedlicher Anlageziele: Einerseits müssen sie den Wert ihres Grundstockvermögens auf Dauer erhalten. Andererseits müssen sie den Stiftungszweck aus den wirtschaftlichen Erträgen des Stiftungsvermögens erfüllen, also in einem Niedrigzinsumfeld ggf. auch Überrenditen erzielen. Steuerbefreite Stiftungen müssen zusätzlich berücksichtigen (i) den Fremdvergleichsmaßstab, (ii) die Vorgaben zu Verwaltungsausgaben und (iii) die Einschränkungen bei der Erzielung von gewerblichen Einkünften. Zur Auflösung dieses Spannungsverhältnisses hat der in der Regel zuständige Stiftungsvorstand einen großen Ermessensspielraum. Maßstab ist die moderne Portfoliotheorie, nach der ein angemessenes Risikoprofil des Gesamtportfolios durch eine Diversifikation der Anlageklassen erreicht werden kann. Einzelne Anlageklassen, wie zum Beispiel Private Equity und Venture Capital sind demnach nicht per se ausgeschlossen. Entsprechend sind sie in den Portfolios großer Stiftungen häufig enthalten. Dennoch herrscht bei den Aufsichtsbehörden nach wie vor Skepsis gegenüber solchen Investments. Diese Skepsis, gepaart mit der Sorge der Stiftungsorgane vor einer Haftung wegen fehlerhafter Anlageentscheidungen, führt häufig zu einer Selbstbeschränkung auf „gängigere“ Anlageklassen.
Der Kern des Vorhabens
Mit dem Antrag „Mehr Geld für Start-ups – Stiftungen als Kapitalgeber für Start-ups gewinnen“ soll diese Selbstbeschränkung durchbrochen werden. Vorgesehen ist, dass landeseigene und vom Freistaat mitgegründete Stiftungen ausdrücklich ermächtigt werden, einen kleinen Teil ihres Vermögens in Venture-Capital-Fonds zu investieren – vorrangig in deutsche und europäische Fonds, mit besonderem Augenmerk auf bayerische Start-ups. Damit würde erstmals ein gesetzlicher Rahmen geschaffen, der solchen Investitionen Rechtssicherheit gibt.
Chancen für Gründer und Start-ups
Für Gründer wäre dies ein großer Fortschritt:
Neue Kapitalquelle: Stiftungen verfügen über Milliardenvermögen. Wenn nur wenige Prozent davon in Venture Capital flößen, stünden erhebliche zusätzliche Mittel für Innovationen zur Verfügung.
Langfristige Orientierung: Stiftungen denken generationenübergreifend und könnten sich als stabile Partner in der Wachstumsfinanzierung etablieren.
Stärkung des Standorts: Bayern würde seine Start-up-Landschaft deutlich attraktiver machen und könnte Vorbild für andere Bundesländer werden.
Herausforderungen
In praktischer Hinsicht bleibt abzuwarten, wie der Freistaat Bayern technisch eine solche Vermögensanlagepolitik bayerischer Stiftungen umsetzen kann. Das Stiftungszivilrecht, einschließlich der rechtlichen Vorgaben für die Vermögensanlage, ist seit dem 1. Juli 2023 bundeseinheitlich abschließend im BGB normiert. Bayern hat insofern keine Gesetzgebungskompetenz.
Denkbar ist, dass der Freistaat seine Befugnisse als Stiftungsorgan – sofern er als solches in Stiftungen vertreten ist – nutzt und auf eine entsprechende Vermögensanlagepolitik hinwirkt, zum Beispiel indem er Satzungsänderungen beschließt.
Außerdem könnte Bayern einer etwaigen restriktiven Praxis der bayerischen Stiftungsaufsichtsbehörden bei der Vermögensanlage in alternative Assetklassen entgegenwirken, indem es entsprechende Verwaltungsrichtlinien erlässt.
Risiken bleiben: Venture-Capital-Investitionen sind riskant und illiquide. Stiftungen müssen Verluste einkalkulieren und klare Compliance- und Risikomanagementstrukturen schaffen, um den Erhalt des Grundstockvermögens und eine nachhaltige Stiftungstätigkeit zu sichern.
Fazit
Die bayerische Initiative fördert Innovationen und trägt zu einem positiven Investitionsklima bei. Gründer können auf langfristig denkende Investoren hoffen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Stiftungen haben die Chance, ihr Vermögen stärker zu diversifizieren, Überrenditen zu erzielen und aktiv den Innovationsstandort zu stärken.